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Verwendung von Fernseh-Inhalten im Web-TV
§ 97ff UrhG
LG München; ger. Az.: 21 0 15039/98; Urteil vom 10.03.1999

1. Für die Verwendung einer digitalisierten Fassung eines Fernseh-Beitrages im Internet ist die gesonderte Rechteeinräumung des Urhebers erforderlich.
2. Die pauschale Übertragung von "unbeschränkten" Nutzungsrechten beinhaltet nicht automatisch auch die Übertragung von Internetrechten.

(Leitsatz der Kanzlei Flick)

Aus dem Tatbestand:
Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten im Wege der Stufenklage Ansprüche wegen einer ohne ihre Zustimmung erfolgten Präsentation eines von ihr für die Beklagte produzierten Fernsehmagazinbeitrages im Internet geltend. Die Parteien schlossen am 16.6.97 einen Vertrag, mit dem sich die Klägerin zur Produktion eines siebenminütigen Beitrages zur exklusiven Ausstrahlung durch das Fernsehmagazin "Focus TV" verpflichtete. Es wurde vereinbart, dass das Honorar für die produzierte und abgenommene Minute DM 1800.- beträgt. In dem von der Beklagten gestellten und vorformulierten Vertrag (Anlage K. 2) ist unter anderem folgendes geregelt:

4. Schutz gegenüber Dritten
Der Produzent verpflichtet sich, die Persönlichkeitsrechte der Dritten bei dieser Produktion zu wahren. Er stellt FTV von Ansprüchen frei, die durch etwaige Verletzung von Persönlichkeits- und anderen Rechten Dritter entstehen könnten.

5. Rechtsübertragung
(...)
b. der Produzent überträgt FTV die unbeschränkten Rechte an der schnittexklusiven Produktion. Diese beinhalten auch sämtliches Archivmaterial aus eigenen und fremden Quellen, das der Produzent für diese Produktion verwandt hat. Der Produzent legt jedem Beitrag eine Timecode- Liste bei, aus der zu ersehen ist, ob Fremdmaterial in den Beitrag geschnitten wurde und welche GEMA-Gebühren zu berücksichtigen sind.

In dem vorformulierten Vertragstext waren unter der Ziffer 5 a und 5c zwei weitere Alternativen für den Umfang der Rechtsübertragung abgedruckt, die von den Parteien jedoch nicht gewählt wurden. Die Ziffer 5 a lautet wie folgt:
Der Produzent überträgt FTV die ausschließlichen, sowie zeitlich, räumlich und inhaltlich unbeschränkten Rechte an seiner vertragsgegenständlichen Leistung. Diese beinhalten auch sämtliches Archivmaterial aus eigenen und fremden Quellen, das der Produzent für diese Produktion verwandt hat. Der Produzent legt jedem Beitrag allem Material eine Timecode-Liste bei, aus der zu ersehen ist, ob Fremdmaterial in den Beitrag geschnitten wurde und welche GEMA-Gebühren zu berücksichtigen sind. Die Ziffer 5c lautet wie folgt:
Der Produzent überträgt FTV die Rechte an der schnittexklusiven Produktion für eine Ausstrahlung, sowie eine Wiederholungsausstrahlung. Diese beinhalten auch sämtliches Archivmaterial aus eigenen und fremden Quellen, das der Produzent für diese Produktion verwandt hat. Der Produzent legt jedem Beitrag/allem Material eine Timecode-Liste bei, aus der zu ersehen ist, ob Fremdmaterial in den Beitrag geschnitten wurde und welche GEMA-Gebühren zu berücksichtigen sind.
Die Klägerin erbrachte ihre Leistung vertragsgemäß und der Beitrag kam zur Ausstrahlung. Die Beklagte begann nach Vertragsabschluß in Zusammenarbeit mit der Deutschen Telekom Online Service GmbH Filmbeiträge ins Internet zustellen. Nach der Ausstrahlung in dem TV Magazin Focus digitalisierte die Beklagte den in Betacam SP-Qualität angelieferten Beitrag, fixierte ihn in elektronischen Speichern und stellte ihn auf ihren Internetseiten zum Abruf durch Interessenten bereit. Die Beklagte kündigte den Beitrag mit folgendem Zusatz an: "Focus TV hat das Team der Notaufnahme eine Nacht lang begleitet". Die Veröffentlichung der Reportage im Internet erfolgte ohne Zustimmung der Klägerin.

(...)

Aus den Entscheidungsgründen:
Aus den Gründen Die zulässige Klage erwies sich, soweit entscheidungsreif, als begründet.
I. Die Beklagte ist der Klägerin zur Auskunft verpflichtet, da der Klägerin wegen der Verwendung des Beitrages im Internet eine Schadensersatzanspruch aus § 97 Abs. l UrhG bzw. ein Bereicherungsanspruch aus § 812 BGB zusteht und die verlangten Auskünfte zur Bezifferung eines Schadensersatzanspruchs bzw. eines Bereicherungsanspruchs erforderlich sind. Der Klägerin steht gemäß § 97 Abs. l UrhG ein Schadensersatz zu, da die Nutzung des Beitrages im Internet ohne Zustimmung der Klägerin und somit rechtswidrig erfolgte. Die Zustimmung der Klägerin wäre erforderlich gewesen, da die Nutzung im Internet nicht von der vertraglichen Rechteübertragung mitumfasst war und eine Zustimmungspflicht nach Treu und Glauben den Ansprüchen nicht entgegenhalten werden kann.

A. Die Klägerin hat mit Ziffer 5 b lediglich die Nutzungsrechte für die Ausstrahlung im Fernsehen und nicht für die Nutzung im Internet eingeräumt. Die Digitalisierung eines Fernsehmagazinbeitrages und die Verwendung im Internet stellt eine eigene Nutzungsart dar, so dass diese Nutzung nicht durch die Übertragung von Rechten zur Ausstrahlung im Fernsehen gedeckt ist (s. dazu Fromm/Nordemann/Hertin UrhG §§31/32 Rdn.18 S.297).

Die Klägerin hat mit Ziffer 5 b des Vertrages der Beklagten die uneingeschränkten Rechte an der Nutzung des Magazinbeitrages eingeräumt, ohne dass die Nutzungsarten im einzelnen aufgeführt sind. Bei einer pauschalen Rechteübertragung ist der Auslegungsgrundsatz des § 31 Abs.5 UrhG zu berücksichtigen. Nach § 34 Abs. 5 UrhG bestimmt sich der Umfang eines eingeräumten Nutzungsrechts nach der mit seiner Einräumung verfolgten Zweck, wenn bei der Rechtseinräumung die Nutzungsarten, auf die sich das Recht erstrecken soll, nicht einzeln bezeichnet ist. Bei pauschalen Vereinbarungen über die Einräumung von Nutzungsrechten wird danach der Umfang des Nutzungsrechts durch den Vertragszweck bestimmt und im allgemeinen beschränkt, selbst wenn der Wortlaut der vertraglichen Regelung eindeutig ist. Bei einer pauschalen Rechtseinräumung kann dem Vertragstext regelmäßig nichts Abschließendes entnommen werden (BGH GRUR 1996,121ff. - pauschale Rechtseinräumung"; BGH GRUR 1974,786 ff. "Kassettenfilm"). Bei einer pauschalen Rechteeinräumung bestimmt der Vertragszweck nicht nur, welche Nutzungsrechte an einzelnen zur Verfügung gestellt worden sind, sondern auch ob diese nur inhaltlich, räumlich oder zeitlich beschränkt eingeräumt worden sind. Die von der Beklagten zur Auslegung der Ziffer 5b herangezogenen nicht vereinbarten Ziffern 5a und 5c des Vertrages beinhalten ebenso wie Ziffer 5 b keine Aufzählung der Nutzungsarten, sondern könnten allenfalls zu der hier nicht streitgegenständlichen Auslegung des Begriffes "unbeschränkt" herangezogen werden. Selbst wenn der Auslegung der Beklagten zu folgen wäre, dass die Klägerin der Beklagten die ausschließlichen, sowie zeitlich, räumlich und inhaltlich unbeschränkten Rechte an der Produktion eingeräumt hat, ist damit nicht geklärt, welche Nutzungsrechte im einzelnen eingeräumt worden sind. Nach dem Auslegungsgrundsatz des § 31 Abs.5 UrhG ist im Zweifel anzunehmen, dass der Urheber ein Nutzungsrecht nur in demjenigen Umfang einräumen will, den der Vertragszweck unbedingt erfordert. Bei der Feststellung des Vertragszwecks ist vom Wortlaut des Vertrages auszugehen und zu ermitteln, was üblicherweise nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zum Zweck von Verträgen des betreffenden Zuschnitts gemacht wurde (vgl. Schricker UrhG, l Aufl. §§ 31,32 Rdn. 40 m. RSprNW.).
Der Wortlaut des Vertrages, insbesondere die Festlegung des Vertragsgegenstandes "exklusive Ausstrahlung durch FTV" spricht dafür, dass die Parteien als Vertragszweck die Erstellung eines Beitrages für eine Fernsehausstrahlung verfolgt haben. In dem gesamten Vertrag finden sich keine Hinweise, dass die Reportage auch in anderen Medien wie dem Internet Verwendung finden soll. Es sind auch keine Umstände ersichtlich, die entgegen dem in dem schriftlichen Vertrag bestimmten Vertragsgegenstand, eine andere Beurteilung rechtfertigen. Die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat nicht behauptet, dass es der Branchenübung entsprochen habe, dass neben den Fernsehrechten auch Internetrechte eingeräumt werden. Dies wäre auch wenig wahrscheinlich, da zu dem Zeitpunkt die Beklagte eine Internetnutzung ihrer TV-Beiträge nicht aufgenommen hat und diese Nutzungsmöglichkeit neu war. Eine Branchenübung kann sich daher zu dem maßgeblichen Zeitpunkt nicht herausgebildet haben. Es sind keinerlei Umstände ersichtlich, dass beide Parteien davon ausgingen, dass der Beitrag im Internet genutzt werden sollte und somit den Vertragszweck stillschweigend oder ausdrücklich über den Wortlaut hinaus erweitert haben. Eine derartige Annahme verbietet sich von vornherein, da die Klägerin unstrittig vorgetragen hat, ihr sei zum Zeitpunkt des Vertragsabschluß diese Nutzungsart unbekannt gewesen und die Beklagte auch nicht dargelegt hat, dass sie die Klägerin vor Vertragsabschluß über ihre Internet-Pläne informiert hat. Auch heute stellt die Abrufbarkeit von Fernsehsendungen oder ausgewähltem Beiträgen über das Internet die Ausnahme dar und es ist gerichtsbekannt, dass nur wenige Fernsender und Fernsehsendungen ihre Beiträge im Internet zum Abruf bereitstellen. Es wäre daher für die Annahme einer entsprechenden Rechteübertragung unerlässlich gewesen, dass die Klägerin von der Beklagten, sich dieser neuen Technik zur Verbreitung von Magazinbeiträgen zu bedienen, in Kenntnis gesetzt worden wäre. Zu einem entsprechenden Auslegungsergebnis führt auch § 5 AGBG, wonach Unklarheiten bei der Auslegung einer AGB-Klausel zu Lasten des Verwenders geben.

B. Die Beklagte kann einem Schadensersatzanspruch auch nicht entgegenhalten, die Klägerin wäre nachträglich in analoger Anwendung des § 9 UrhG oder nach § 242 BGB zur Rechteübertragung verpflichtet gewesen.
Die Frage, ob eine Rechteübertragung für die elektronische Nutzung nach Treu und Glauben geboten ist, wird im Bereich der Zeitungen und Zeitschriften diskutiert. Die Überlegung, die Katzenberger in seiner Abhandlung anstellt, sind auf die speziellen Gegebenheiten dieser Branche abgestimmt. Die Kammer sieht keinerlei Bedarf, in dem vorliegenden Fall im Wege einer Analogie oder nach den allgemeinen Treu und Glaubengrundsätzen eine Zustimmungspflicht der Klägerin zu konstituieren.
Zunächst ist festzustellen, dass eine Erweiterung der Rechteübertragung im Wege einer nach Treu und Glauben gebotenen Zustimmung durch den Rechteinhaber dann ausscheidet, wenn der Beklagten bereits bei Vertragsschluss die neue Nutzungsart bekannt war und sie sie aus welchen Gründen auch immer nicht in den Vertragszweck einbezogen hat. Wenn die Beklagte bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschluß eine derartige Nutzung in Erwägung zog, wofür der Zeitablauf spricht, ist § 242 BGB kein geeignetes Instrumentarium, etwaige Nachlässigkeiten bei Vertragsabschluss zu korrigieren und das Recht der Klägerin auf Vertragsfreiheit zu beschneiden. Sollte die Nutzungsart bei Vertragsabschluß nicht bekannt gewesen sein, würde die gesetzliche Regelung des § 31 Abs.4 UrhG einer Zustimmungspflicht, die nicht durch § 242 BGB umgangen werden kann, entgegenstehen. Sollte die Nutzungsart bekannt gewesen sein und die Beklagte sich erst nach Vertragsschluss zu dieser Nutzung entschlossen haben, bedarf es einer Abwägung der beidseitigen Interessen, ob eine Zustimmungspflicht besteht. Die Beklagte hat zur Begründung im wesentlichen lediglich Passagen aus der Abhandlung von Katzenberger zitiert, nicht aber dargelegt, aus welchen Gründen sie auf eine Zustimmung der Klägerin angewiesen ist. Einer Zustimmungspflicht der Klägerin hätte man allenfalls dann näher treten könne, wenn die Beklagte dargelegt hätte, dass die Nutzbarkeit der neuen Technik von der Zustimmung eines einzelnen Filmproduzenten zur Nutzung seines Beitrages im Internet abhängig wäre. Dies ist ersichtlich nicht der Fall. Selbst wenn auf der Beklagtenseite ein berechtigtes Interesse zu bejahen wäre, müsste auf der anderen Seite berücksichtigt werden, dass die Klägerin die von ihr gefilmten Personen nicht von der Nutzung des Beitrages im weltweit abrufbaren Internet informiert hat. Berücksichtigt man weiter, dass die Klägerin die Verpflichtung übernommen hat, die Beklagte von etwaigen Ansprüchen Dritter freizustellen, steht allein das Interesse der Klägerin, die Persönlichkeitsrechte Dritter zu wahren, einer Zustimmungspflicht nach Treu und Glauben entgegen.
Die Ausführungen der Beklagten, dass in dem Honorar bereits die Vergütung für künftige Rechtsübertragungen mitenthalten gewesen waren, ist nicht nachvollziehbar. Es fragt sich dann, aus welchen Gründen die Beklagte der Klägerin dieses Kriterium für das Honorarangebot nicht offengelegt hat.

(...)


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