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Verwirkung eines Strafversprechens durch fremde Inhalte
§ 1 UWG
LG Lübeck; Urteil vom 24. 11. 1998; ger.Az.: 11 S 4/98

Wer fremde Inhalte durch sog. "Inline-Links" sich zu eigen macht, so dass der Eindruck entsteht, es handele sich um einen Teil des eigenen Internetauftritts, haftet für die hinter den Links verborgenen Inhalte wie für eigene. Dies gilt auch nach Einführung des § 5 TDG.
(Leitsatz der Kanzlei Flick)

Aus dem Tatbestand:
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufung ist nicht begründet.
Die Beklagte hat gegen das Vertragsstrafenversprechen vom 17.12.1996 verstoßen und ist verpflichtet, an den Kläger die vereinbarte Vertragsstrafe von DM 6000,00 zu zahlen. Der auf der Webseite "fit durch Sauerstoff" (...) von (...) befindliche Werbetext für das Gerät (...) enthielt Aussagen, zu deren Unterlassung sich die Beklagte verpflichtet hat.
Diese Werbeaussagen auf der Internetseite von (...) hat sich die Beklagte zurechnen zu lassen; sie handelte schuldhaft, nämlich zumindest fahrlässig. Die Zurechnungskette kausaler Beiträge der Beklagten führt von ihrer Werbeanzeige in der Zeitung mit der dort angegebenen Internetadresse über die eigene Startseite mit dem Hyperlink zu den Seiten von (...), die den rechtswidrigen Inhalt enthalten. Dem steht nicht entgegen, dass es zu einer Rechtsverletzung erst durch die eigenverantwortlichen Handlungen des Internetnutzers kommt, der die Seiten durch Mausklick aufruft. Für einen durch die Werbeanzeige angesprochenen Interessenten des Sauerstoffgeräts ist dieser Weg der Information gewollt.
Voraussetzung für die Zurechnung der fremden Internetseiten ist, dass die Verantwortlichkeit der Beklagten nach § 5 des Gesetzes über die Nutzung von Telediensten-BGBL 1997, S. 1870 ff.- (TDG) gegeben ist. Dieses Gesetz, das durch das Informations- und Kommunikationsdienstegesetz eingeführt wurde und am 01.08.1997 in Kraft trat, regelt gesondert die Verantwortlichkeit eines Anbieters für Informationsinhalte, die über Informations- und Kommunikationsdienste zur Verfügung gestellt werden.
Die Vorschrift bildet u. a. für Angebote zur Nutzung des Internets (§ 2 Abs. 2 Nr. 3) eine graduelle Abstufung der Verantwortlichkeit eines Diensteanbieters: Nach § 5 Abs. 3 TDG ist seine Verantwortlichkeit für fremde Inhalte ausgeschlossen, wenn er lediglich den Zugang zu seiner Nutzung vermittelt. Für fremde Inhalte, die er zur Nutzung bereit hält, ist er nur unter bestimmten einschränkenden Voraussetzungen verantwortlich (Abs.2 a.a.O.). Nach Abs. 1 ist er für eigene Inhalte nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich.
Grundsätzlich gilt im Rahmen der Stufenfolge des § 5 TDG nur eine eingeschränkte Verantwortlichkeit für Anbieter von Informations- und Kommunikationsdiensten. Dies entspricht dem mit dem Gesetz verfolgten Zweck der Förderung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für diese Anbieter. Für eine einschränkende Auslegung der zivilrechtlichen Haftung sprechen Kultur und Entstehungsgeschichte des Internets, das auf möglichst vielfältige Verknüpfungen des eigenen mit fremden Angeboten angelegt ist. Ohne diese Verknüpfungen käme ein weltweites Netz von Informations- und Kommunikationsangeboten, -diensten und -netzwerken gar nicht zustande, das dem Nutzer die systemimmanente Möglichkeit gewährt, auf dem ganzen Globus zu surfen (v. Bonin/Köster, Internet im Lichte neuer Gesetze, ZUM 1997, 821, 824). Hyperlinks werden dabei als Querverweise millionenfach zur Steigerung der Benutzerfreundlichkeit der eigenen Webseite und zur Ergänzung der Informationen anderer Anbieter gesetzt. Bei ihnen handelt es sich um Weiterverweisungen des Internetnutzers, die dem leichteren Auffinden themenverwandter fremder Inhalte dienen und daher mit Fußnoten in einem wissenschaftlichen Text vergleichbar sind. Eine ständige Überprüfung der Seiten, auf die Hyperlinks gesetzt wurden, auf einen rechtswidrigen Inhalt ist aufgrund deren Veränderbarkeit dem Anbieter rechtlich nicht zumutbar und wird von dem Internetbenutzer typischerweise auch nicht erwartet (§ 5 Abs. 3 TDG).
Verantwortlichkeit für fremde Inhalte ist aber gegeben, wenn zusätzliche Umstände vorliegen, die verdeutlichen, dass der Anbieter der Seite, auf der sich der Hyperlink befindet, sich den Inhalt der fremden Seite geistig zu eigen macht. Bei den auf der Internetseite von (...) enthaltenen rechtswidrigen Werbeaussagen für das Gerät handelt es sich um eigenen Inhalt der Beklagten i.S.v. § 5 Abs.1 TDG.
Als eigener Inhalt ist es auch anzusehen, wenn ein Anbieter sich einen fremden Inhalt zu eigen macht (Gesetzesbegründung der Bundesregierung, Bundestagsdrucksache 13/7385). Für einen Hyperlink auf eine fremde Internetseite ist die Beklagte als Dienstanbieterin verantwortlich, weil darüber eine Seite unter derselben Domain aufgerufen wird und es sich nicht lediglich um einen Querverweis, sondern um eine Vervollständigung des auf den eigenen Seiten angebotenen Inhalts handelt. Dann macht es keinen Unterschied, ob der Anbieter eigene Webseiten einrichtet oder sich durch Links auf die Seiten eines anderen Anbieters derer Inhalt zu eigen macht und zur Vermeidung von Kosten auf eigene Seiten verzichtet.
Ebenso kommt es nicht darauf an, dass er auf die jederzeit änderbare Gestaltung der fremden Webseiten keinen Einfluss hat. Er ist so zu behandeln, als hätte er den rechtswidrigen fremden Inhalt auf eigenen Seiten verwendet. Das ergibt sich aus dem Kontext. Ein die Verantwortung begründender Umstand besteht darin, dass die bei Anklicken des Hyperlinks aufgerufene Webseite von (...) sich unter derselben Domain wie die Startseite der Beklage befand. Durch diesen gemeinsamen Bestandteil der Internetadresse, den der Nutzer an der Adressenzeile seines Internet-Browsers ablesen kann, entsteht der Eindruck einer inhaltlichen, hier sogar einer unternehmerischen Verbundenheit sämtlicher Anbieter unter dieser Domain. Es kommt demgemäss nicht darauf an, dass ein Benutzer aufgrund des Logos von (...) erkennen konnte, dass er die Seite eines anderen Anbieters aufgerufen hat. Der Eindruck der inhaltlichen Verbundenheit beider Anbieter genügt.
Hinzu tritt, dass die fremden Werbeaussagen in das inhaltliche Angebot der Beklagten eingebettet waren und dieses dadurch erst vervollständigt wurde. Ohne die fremden Seiten konnte das Internetangebot der Beklagten seine Bestimmung, den Nutzer über das eigene Warenangebot zu informieren und für das Sauerstoffgerät Werbung zu treiben, gar nicht erfüllen. Daher liegt keine Weiterverweisung zur inhaltlichen Ergänzung des eigenen Angebots aus Gründen der Benutzerfreundlichkeit vor. Vielmehr wurden die fremden Seiten zum Bestandteil des eigenen Angebotes gemacht.
Das bestätigt der Umstand, dass es sich bei dem Symbolfenster "Viele gute Tipps" um einen (sogenannten) Inline-Link auf die Seite der Beklagten handelt. Es ist für den Benutzer hierbei nicht erkennbar, dass eine Verknüpfung mit einer Seite eines anderen Anbieters vorgenommen wird. Wird dem Nutzer der Wechsel zu einem anderen Anbieter verschleiert, hat der Anbieter erst recht für den fremden Inhalt einzustehen. Daran ändert nichts, dass nicht die Beklagte, sondern eine Dritter, nämlich ein Internetserviceunternehmen im Auftrag von (...), die Hyperlinks auf die Seiten von (...) gesetzt hat (§ 13 Abs. 4 UWG). Es war nämlich der Beklagten technisch möglich und zumutbar (vgl. § 5 Abs. 4 TDG) die Verknüpfung beseitigen zu lassen, so wie dies jetzt geschehen ist.

(...)


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