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Fundstelle: NJW 1999, 65 ; hier mit Anmerkung von RA Flick

Haftung für Last-Minute-Angebote Dritter
§ 1 UWG
OLG München; Urteil vom 26. Februar 1998 - 29 U 4466/97 -
(Vorinstanz LG München I: 21 O 17492/96)

Der Betreiber eines Internet-Servers, der Dritten die Möglichkeit bietet, über diesen für ihre Leistungen zu werben, kann wegen ihm bekannter wettbewerbswidriger Werbung der Dritten auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Aus dem Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Zulässigkeit einer Werbung der Beklagten mit dem Begriff "last-minute-Reisen" im Internet.
Die Klägerin befaßt sich ausschließlich mit der Vermittlung von last-minute-Reisen. Die Beklagte gibt als Gegenstand ihres Unternehmens "die Bereitstellung von Datenbanken und Informationen, vornehmlich, aber nicht ausschließlich über elektronische Medien; Erstellung, Vermietung und Verkauf von Datenbanksystemen; Erstellung, Vermietung und Verkauf von Schnittstellen zu bestehenden Datenbanksystemen; Fertigung der hierfür erforderlichen Hardware-Komponenten aus der Medien- und Datentechnik" an.
Die Beklagte betreibt unter der Adresse (Domain) einen Internet-Server, auf dem sie Reiseveranstaltern die Möglichkeit bietet, Reiseangebote zu veröffentlichen.
Die Klägerin hat behauptet, am 12.4.1996 hätten unter der erwähnten Domain Reiseveranstalter für last-minute-Reisen mit Abreiseterminen bis zum 30.4.1996 geworben. Am 1.6.1996 hätten unter der Domain Reiseveranstalter für last-minute-Reisen mit einem bis zu fast 2 Monaten hinausgeschobenen Abreisetermin geworben.
Die Klägerin hat ein Versäumnisurteil erwirkt, durch das den Beklagten verboten wurde, unter der Domain http://www.last-minute.com, unter der Bezeichnung "Super Last Minute Angebote", als Last-Minute-Club oder sonst in Verbindung mit dem Begriff Last-Minute für Pauschalreisen oder Flugreisen zu werben oder werben zu lassen, wenn zwischen dem Zeitpunkt erstmaliger Bewerbung der konkreten Reise und dem Abreise- oder Abflugtermin mehr als 14 Kalendertage liegen.
Durch Urteil vom 18.6.1997 hat das Landgericht das Versäumnisurteil insoweit aufrechterhalten, als den Beklagten verboten worden war, in Verbindung mit dem Begriff "last minute" für Pauschalreisen oder Flugreisen zu werben, wenn zwischen dem Zeitpunkt erstmaliger Bewerbung der konkreten Reise und dem Abreise- oder Abflugtermin mehr als 14 Kalendertage liegen; im übrigen - insoweit, als den Beklagten verboten worden war, so auch "werben zu lassen" - hat es die Klage abgewiesen.
Mit ihren gegen dieses Urteil eingelegten Berufungen verfolgen alle Parteien ihr ursprüngliches Ziel weiter. Die Berufung der Klägerin hatte Erfolg, die Berufung des Beklagten blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, daß die Werbung mit der Bezeichnung "last-minute" für Reisen, bei denen der Reisetermin mehr als 14 Tage hinausgeschoben ist, gegen § 3 UWG verstößt. Die angesprochenen Verkehrsteilnehmer verbinden mit einer last-minute-Reise weithin die Vorstellung, daß es sich um eine Reise handelt, die wegen des Zwanges zur sehr kurzfristigen Buchung besonders günstig angeboten wird. Damit verbunden ist die Vorstellung, daß ein Zwang zu einer sehr kurzfristigen Entscheidung und Buchung besteht.
Werden Reisen, die diesen Vorstellungen nicht entsprechen und insbesondere, wie dies bei den über den Internet-Server der Beklagten angebotenen Reisen unstreitig der Fall war, zum Normalpreis angebotenen Reisen mit weiter als 14 Tagen hinausgeschobenen Abreiseterminen als last-minute-Angebote beworben, so ist dies irreführend, da weder ein kurzfristiges noch ein besonders günstiges Angebot vorliegt und zudem auch ein nicht gerechtfertigter Entscheidungsdruck auf den Interessenten ausgeübt wird. Letzteres verstößt zugleich gegen § 1 UWG. Näherer Begründung bedarf dies nicht, da die Beklagten die Richtigkeit dieses rechtlichen Ausgangspunktes nicht in Zweifel ziehen.
2. Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht zunächst die Beklagte mit zutreffenden Gründen verurteilt, selbst nicht in der beanstandeten Weise zu werben. Auf den Einwand der Beklagten, bei der Werbung am 12.4. und 1.6.1996 habe es sich um einen simulierten Testbetrieb gehandelt, kommt es nicht an, da die Beklagte unstreitig am 29.10.1997 sowie am 28.1. und 19.2.1998 unverändert in der gleichen Weise geworben hat. Da die einzelnen Reiseveranstalter, die die Dienstleistungen der Beklagten in Anspruch nehmen, auf den Internet-Seiten nicht erkennbar werden, ist es gerechtfertigt, insoweit die Beklagte wegen eigener Werbung (für von Dritten veranstaltete Reisen) zur Unterlassung zu verurteilen. Auf die bestrittene Behauptung der Klägerin, die Beklagte trete selbst auch als Reiseveranstalter auf, kommt es für die Entscheidung nicht an.
Zugleich ist es gerechtfertigt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Dritte unter ihrer Domain in der streitigen Weise werben zu lassen. Denn unbestritten ist es mit Hilfe eines geeigneten Programms möglich, Reiseangebote, bei denen der Abreisetermin mehr als 14 Tage hinausgeschoben ist, auszufiltern und täglich die den zu stellenden Anforderungen entsprechende Reiseangebote jeweils neu zuzulassen. Darauf, daß die Beklagte im Sommer 1996 über das notwendige know how hierzu noch nicht verfügte, kommt es nicht an, da es ihr unbestritten zumindest gegenwärtig zur Verfügung steht. Im übrigen wäre die Beklagte jedenfalls nach den diesbezüglichen Hinweisen der Klägerin im ersten Rechtszug verpflichtet gewesen, sich die notwendigen Kenntnisse zu verschaffen.
Der Einwand der Beklagten im ersten Rechtszug, sie sei vertraglich an einer Überprüfung der Angebote ihrer Kunden gehindert, ist nicht begründet. Abgesehen davon, daß es Sache der Beklagten ist, ihre Rechtsbeziehungen so zu gestalten, daß sie durch diese nicht gezwungen ist, sich an einer wettbewerbswidrigen Werbung zu beteiligen, trägt die Beklagte im zweiten Rechtszug vor, daß ihre Kunden inzwischen zugesagt haben, auf Einhaltung der streitigen Frist zu achten. Der Beklagten ist es daher zuzumuten, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln die Einhaltung dieser Zusage zu überprüfen.
Auch der Einwand der Beklagten, eine Werbung ihrer Kunden mit der Bezeichnung last-minute für Reisen mit hinausgeschobenem Abreisetermin im laufenden Text der Reisebeschreibung könne durch ein Kontrollprogramm nicht erfaßt werden, greift nicht durch. Denn eine derartige Werbung ist nach dem dem Antrag der Klägerin zugrundeliegenden konkreten Verletzungstatbestand nicht Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Es kann daher unterstellt werden, daß der Einwand der Beklagten technisch richtig ist.
Soweit es um die Verurteilung des Beklagten geht, kommt es auf die vom Landgericht ersichtlich übersehene Unterlassungserklärung für die Entscheidung nicht an. Denn die unbestrittene, von der Klägerin für den 28.1.1998 und den 19.2.1998 vorgetragene und für den letzteren Termin dokumentierte Werbung des Beklagten auf seiner eigenen Homepage - daß es sich nicht um die Homepage der (...) deren Geschäftsführer der Beklagte war, handelt, ergibt sich aus der durch den Beschluß des Amtsgerichts Frankfurt vom 9.12.1997 dokumentierten Löschungsreife dieser Gesellschaft - bildet jedenfalls einen neuen Verletzungstatbestand, der die Verurteilung des Beklagten rechtfertigt. Zur Begründung kann insoweit wegen Gleichheit der Sachverhalte auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Der Beklagte wirbt dadurch, daß er über das Stichwort "last-minute" auf seiner Homepage eine Verbindung zu den entsprechenden Angeboten auf dem Server der Beklagten herstellt, für die dortigen Angebote und läßt zugleich die dortigen Anbieter in der beanstandeten Weise mit dem Begriff "last-minute" werben. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ist daher gegenüber dem Beklagten im gleichen Umfang gerechtfertigt wie gegenüber der Beklagten. Im übrigen folgt die Begründetheit der Klage auch daraus, daß der Beklagte, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat deutlich wurde, nach wie vor die tatsächlich für die Beklagte handelnde Person ist.
(...)

Anmerkung von Rechtsanwalt Flick:
Zumindest verwunderlich an dieser Entscheidung ist, daß das OLG an keiner Stelle auf die gesetzlichen Haftungsregelungen der §§ 5 Teledienstegesetz, 5 Mediendienstestaatsvertrag eingegangen ist. Danach haftet ein der Beklagten vergleichbarer Diensteanbieter für fremde Inhalte, die er zur Nutzung bereit hält, nur dann, wenn er von diesen Kenntnis hat und es ihm technisch möglich und zumutbar ist, deren Nutzung zu verhindern. Hingegen sind Diensteanbieter für Inhalte, zu denen sie lediglich den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich (§ 5 Abs.3 Teledienstegesetz). Die erstgenannte Haftungsregelung gilt für Informationen und Kaufangebote, die der Diensteanbieter "hostet". Hingegen gilt die letztgenannte Haftungsregelung für Inhalte, die von Endnutzern über den Server des Diensteanbieters aus dem Internet abgerufen werden. Zwar gilt auch hier, daß der Diensteanbieter nach den allgemeinen Gesetzen verpflichtet bleibt, bei technischer Möglichkeit und Zumutbarkeit die Inhalte zu sperren. Doch ist er für diese nicht verantwortlich. Nach dem Wortlaut des Gesetzes erscheint eine Haftung der Beklagten zumindest nicht in dem Maße offensichtlich, als daß man sich mit den besonderen Haftungsregelungen für Diensteanbieter nicht auseinandersetzen müßte. Für gesetzliche Haftungsregelungen gilt nämlich nicht der Darlegungsgrundsatz der Parteien im Zivilprozess. Das Gericht hätte sich also zumindest mit § 5 TDG auseinandersetzen müssen.
Auch wenn man nach Prüfung der Privilegierung nach § 5 Teledienstegesetz, § 5 Mediendienstestaatsvertrag wohl zu keinem anderen Ergebnis gelangen würde, so hat das OLG München leider eine Möglichkeit verpaßt, zu dem weithin ungeklärten Anwendungsbereichen der genannten Vorschriften Stellung zu nehmen. Immerhin gilt das IUKDG mit seinem Teledienstegesetz seit dem 01.08.1997 und an einer Anwendbarkeit des Gesetzes auf den vorliegenden Fall dürfte kein Zweifel bestehen.


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