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Fundstelle: NJW 1999, 586

§§ 22, I Nr. 1; 26 GWB
LG Frankfurt a. M., Urteil vom 14.10.1998; Az.: - 2/06 O 283/98 -

1. Die Denic (Vergabestelle für ".de" Domains) ist ein marktbeherrschendes Unternehmen i. S. des § 22 Abs. 1 Nr. 1 GWB.
2. Eine Weigerung der Denic, eine zwar registrierte, aber tatsächlich nicht genutzte Domain auf einen nutzungswilligen Interessenten umzuschreiben, verstößt gegen das kartellrechtliche Behinderungsverbot.

(Leitsatz der Kanzlei Flick)

Aus dem Tatbestand:
Die Klägerin veranstaltet unter anderem die Frankfurter Messe "Ambiente", eine Messe u. a. für Wohn- und Geschenkideen. Es handelt sich um eine international ausgerichtete Messe. Die Klägerin ist Inhaberin der am 26.10.1994 eingetragenen Marke "Messe Frankfurt Ambiente". Die Beklagte ist zuständig für die Vergabe von Domainnamen unter der Top-Level-Domain ".de". Für die Registrierung der Domainnamen erließ die Beklagte Vergaberichtlinien. Während es früher möglich war, Domainnamen bei der Beklagten reservieren zu lassen, setzt die Vergabe eines Domainnamens nun ihre Konnektierung voraus. Das bedeutet, der Anmelder einer Domain für einen vollständigen Internetzugang muß zwei Name-Server angeben, bei denen die Domain eingetragen ist. Als die Klägerin die Domain "ambiente.de" für sich registrieren lassen wollte, stellte sie fest, daß diese Domain bereits für Herrn B. konnektiert war. Die Klägerin setzte sich telefonisch mit diesem in Verbindung und verlangt die Freigabe der Domain. Daraufhin gab Herr B. eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, mit der er sich verpflichtete "jede Handlung zu unterlassen, die dazu führen könnte, daß diese Domain im Internet genutzt wird". Eine Freigabeerklärung gab er jedoch nicht ab. Er bezeichnete es als sein "ernsthaftes Ziel, die fragliche Domain dauerhaft dem Internet zu entziehen" und beendete sein Schreiben mit dem Satz: "Wenn ich die Domain nicht nutzen kann, ohne das Sie mich mit einem Rechtsstreit überziehen, dann soll sie niemand nutzen können!". Die Klägerin antwortete daraufhin mit Schreiben vom 13.10.1997, daß diese Unterlassungserklärung zwar ein erster Schritt in die Richtung, jedoch nicht ausreichend sei. Deshalb wandte sie sich mit Schreiben vom 12.11.1997 an die Beklagte und bat sie, die Domainüberlassung zu kündigen und sie, die Klägerin einzutragen. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 18.11.1997, seit die Domain im de-Server als konnektiert geführt und im de-Domain-Name-Server eingetragen sei, sei sie nach ihren Vergabebestimmungen in Nutzung und nicht nur reserviert. Daher existiert zur Zeit zu Gunsten der Klägerin in der de-nic-Datenbank lediglich ein sogenannter Wait-Eintrag, wonach die Klägerin in die Position von Herrn B. nachrückt, falls dieser die Domain "ambiente.de" freigibt. Die Beklagte hat bis Februar 1997 auch Reservierungen von Domains vorgenommen. Seither bietet sie diese Möglichkeit nicht mehr an, um dem "Domain-Grabbing" vorzubeugen. Die Übergangsfrist, in der bestehende Reservierungen fortgalten, ist abgelaufen. Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Beklagte sei gemäß
§§ 35 Abs. 1, 26 Abs. 2 GWB verpflichtet, die Reservierung bzw. Konnektierung zu Gunsten von Herrn B. aufzuheben und sie, die Klägerin, einzutragen.
Die Klage hatte Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig. Hier fehlt insbesondere nicht das Rechtsschutzbedürfnis.

Anstelle der Beklagten Herrn B. in Anspruch zu nehmen, stellt keinen wesentlich einfacheren Weg zur Freigabe der Domain dar, weil dies ebenfalls die Durchführung eines Klageverfahrens bedeuten würde. (...)

Die Klage ist mit dem Antrag auch begründet. Die Beklagte ist Normadressatin des § 26 Abs. 2 GWB, denn sie ist ein marktbeherrschendes Unternehmen i. S. von § 22 Abs. 1 Nr.1 GWB. Der relevante Markt ist in förmlicher Hinsicht auf das Bundesgebiet zu begrenzen (Langen/Bunte/Ruppelt, KartellR., 8. Auflage, § 22 Rdnr. 25, unter Verweis auf BGHZ 131,107 - Backofenmarkt). Ein größerer räumlicher Markt kann nicht zugrunde gelegt werden, weil der Geltungsbereich des Gesetzes einschließlich der Ermittlungs- und Durchsetzungsbefugnissen entsprechend beschränkt ist (Langen/Bunte/Ruppelt § 22 Rdnr. 25a). In sachlicher Hinsicht ist der Markt auf das Angebot der Top-Level-Domain ".de" begrenzt. Denn der sachlich relevante Markt ist aus der Sicht des Abnehmers im Hinblick auf die funktionelle Austauschbarkeit des Angebotes einzugrenzen. Für einen deutschen Nachfrager eines Domainnamen ist die Top-Level-Domain ".de" nicht funktionell austauschbar mit anderen TLD, wie z. B. "com". Denn die TDL ".de" verleiht einer Domain einen gewissen offiziellen Charakter und macht nicht etwa sofort auf das kommerzielle Interesse aufmerksam, wie etwa der Zusatz ".com". Da die Beklagte die einzige ist, die die TLD ".de" vergibt, ist sie ein marktbeherrschendes Unternehmen im kartellrechtlichen Sinne.
Die Beklagte behindert die Klägerin in unbilliger Weise, indem sie es ablehnt, die Registrierung der B. als Domain-Inhaber des Namens "Ambiente" aufzuheben und die Klägerin zu registrieren. Unter einer Behinderung i. S. des § 26 Abs. 2 GWB ist jedes Verhalten zu verstehen, das die wettbewerbliche Betätigungsfreiheit eines anderen Unternehmens nachteilig beeinflußt (Langen/Bunte/Schultz, § 26 Rdnr. 145). Dadurch, daß die Beklagte die Klägerin nicht mit der Domain "ambiente.de" registriert, behindert sie deren wirtschaftliche Auswertung des Namens der relativ bekannten Frühjahrsmesse "ambiente". Eine Abwägung der beiderseitigen Interessen ergibt, daß die Behinderung auch unbillig i. S. § 26 Abs. 2 GWB ist. Die Klägerin hat ein erhebliches Interesse daran, unter der Second-Level-Domain "ambiente" registriert zu werden. Denn dies ist der "einprägsame" Name der von ihr veranstalteten Messe. Ausweichmöglichkeiten wie "Messe Frankfurt Ambiente" oder "Ambiente Messe Frankfurt" oder Ähnliches sind weit weniger einprägsam.
Demgegenüber stehen der Beklagten keine erheblichen, rechtlich billigenswerten Interessen zur Seite, die Registrierung des B. zugunsten der Klägerin aufzuheben. Zwar ist die zugunsten von Herrn B. registrierte Domain "Ambiente.de" nach der Diktion der Beklagten in Nutzung, weil diese Domain entsprechend ihren Vergabebestimmungen konnektiert ist. Tatsächlich nutzt Herr b. die Domain jedoch nicht, weder im World Wide Web noch auf andere Weise. Die Absicht, dies nicht zu tun, hat er gegenüber der Klägerin mit seiner Unterwerfungserklärung unmißverständlich zum Ausdruck gebracht. Er hat den ernsthaften Willen bekundet, es zu unterlassen, die Domain jemals zu nutzen. Sein strafbewerte Unterlassungserklärung bezieht sich nicht nur auf das World Wide Web, sondern auf jegliche Nutzungsform. Keine Rolle spielt es für den von Herrn B. kundgegebenen Unterlassungswille, daß die Klägerin das Vertragsstrafeangebot nicht angenommen hat. Jedenfalls ist mit der Unterwerfungserklärung auch für die Beklagte eindeutig dokumentiert, daß die Domain nicht tatsächlich genutzt werden soll. Das bedeutet, daß die Beklagte in der hier vorliegenden, speziellen Fallgestaltung ausnahmsweise nicht davon ausgehen darf, daß die Konnektierung einer Nutzung gleichzusetzen ist. Die Konnektierung ist vielmehr aufgrund des von Herrn B. geäußerten Unterlassungswillen, verbunden mit der ebenfalls schriftlich bekundeten Absicht, die Domain dauerhaft dem Internet, insbesondere der Klägerin, zu entziehen, dem auch von der Beklagten mißbilligten sogenannten "Domain-Grabbing" gleichzusetzen.

Aufgrund der von Herrn B. eindeutig erklärten Absichten kann die Beklagte sich nicht darauf berufen, ihr sei die Auferlegung ihrer Kontrollpflichten nicht zumutbar. Sie ist vielmehr gegenüber Herrn B. berechtigt und gegenüber der Klägerin verpflichtet, diesen Zustand unbilliger Behinderung zu beenden und die Klägerin anstelle von Herrn B. als Domain-Inhaberin zu registrieren.
Da die Beklagte in Kenntnis aller tatsächlichen Umstände handelte und das Risiko einer unzutreffenden rechtlichen Beurteilung zu tragen hat, kann es dahin gestellt bleiben, ob es sich hierbei um einen Beseitigungsanspruch gem. § 1004 BGB analog oder um einen Schadenersatzanspruch i. S. von § 35 Abs. 1 GWB handelt (vgl. dazu Langen/Bunte/Schultz, § 26 Rdnr. 213).

(...)


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