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Mängelbeseitigung durch Dritte
§§ 635, 634 Abs. 4, 467, 346 BGB
OLG Hamm; Urteil vom 14.02.2000 - 13 U 196/99 -


1. Der Besteller von Hard- und Software, der nicht über EDV-Kenntnisse verfügt, spezifiziert seine Mängelrüge hinreichend, wenn er dem Lieferanten das aufgetretene "Fehlerbild" mitteilt, so daß es gegebenenfalls für einen Sachverständigen prüfbar ist.
2. Nach der Abnahme tritt das Interesse des Auftragnehmers an der Unversehrtheit seines Werkes hinter dem Interesse des Auftraggebers, den Schaden zu untersuchen, zurück; der Auftraggeber kann daher auch Dritte mit der Feststellung des Schadens beauftragen und hierfür Änderungen an dem System vornehmen.
3. Eine Klausel in AGBen, welche eine Gewährleitung auch in einem solchen Fall immer auschließt benachteiligt den Vertragspartner in unangemessener Weise und ist mit § 9 AGBG nicht vereinbar.

(Leitsatz der Kanzlei Flick)

Aus dem Tatbestand:
Der Kläger beauftragte die Beklagte am 1. April 1998 mit der Lieferung und Installation eines Computersystems (Hard- und Software). Ein vorhandener PC, der bisher in ... in der Wohnung der Zeugin H... stand, sollte aufgerüstet und sodann in der Kanzlei des Klägers in ... installiert werden. Für die Mitarbeiterin H... wurde ein neuer PC angeschafft. Dieser sollte in ... als Heimarbeitsplatz mit Faxmöglichkeit eingerichtet werden. Beide Systeme sollten einen Datenaustausch untereinander sowie eine Fernwartung durch die Beklagte ermöglichen. Die Beklagte lieferte und installierte die Anlage am 19. Juni 1998 und stellte dem Kläger dafür 20.311,43 DM in Rechnung, die der Kläger bezahlte. Am 10. August 1998 lieferte die Beklagte einen anderen Drucker, ein mobiles Diktiergerät und einen Streamer. Darüber erteilte sie ihm am 13. August 1998 eine Rechnung über 7.392,58 DM, die nicht bezahlt worden ist. Mit Schreiben vom 3. September 1998 machte der Kläger u.a. geltend, das Fax-Gerät des Computers funktioniere nicht und das Online-Banking laufe nicht aus dem ... Programm heraus, obwohl ein Online-Anschluß vorhanden sei. Er verlangte Mängelbeseitigung bis zum 30. September 1998 und drohte an, andernfalls den Vertrag rückabzuwickeln und sich Schadensersatz vorzubehalten. Die Beklagte antwortete mit Telefax-Schreiben vom 7. September l998, ihr sei nicht bekannt, daß das Faxmodul der ...karte nicht lauffähig sei; das Online-Banking könne gegen Entgelt eingerichtet werden, wenn der Kläger dies wünsche und bestimmte Voraussetzungen erfüllt seien. Abschließend bat die Beklagte um Übersendung einer kurzen Mängelliste. Der Kläger antwortete mit Schreiben vom 18. September 1998. Am 25. September 1998 ließ er die Anlage durch die Fa. ... überprüfen und von Herrn ... so programmieren, daß das Programm pc-... nicht mehr aufgerufen wurde. Am 29. September 1998 rief der Mitarbeiter P... der Beklagten den Kläger in dessen Kanzlei in ... an. Mit Schreiben vom 30. September 1998 rügte der Kläger weitere Mängel (Lieferung eines Pentium I statt eines Pentium II Prozessors, eines 16-fach statt eines 24-fach CD-ROM Laufwerks und eines Monitors ... statt ...). Gleichzeitig verlangte er die Rückabwicklung des Vertrages. Die Beklagte bot daraufhin den Austausch des CD-ROM Laufwerks und des Monitors an.

Der Kläger hat Schadensersatz in Höhe von (zuletzt) 24.000 DM Zug um Zug gegen Rückgabe der am 19. Juni und 10. August 1998 gelieferten Hard- und Software - mit Ausnahme der Software ... - verlangt. Die Beklagte hat im Wege der Widerklage die Bezahlung ihrer Rechnung vom 13. August 1998 abzüglich einer Gutschrift von 499,15 DM sowie das Entgelt für die Fernwartung für den Zeitraum vom 1. Dezember 1998 bis August 1999 in Höhe 321,40 DM verlangt. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen und der Widerklage in Höhe von 6.893,53 DM stattgegeben.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Er begehrt die Abweisung der Widerklage, verfolgt seinen Zahlungsanspruch in Höhe von 17.311,43 DM weiter und verlangt - klageerweiternd - die Feststellung, daß sich die Beklagte mit der Rücknahme der Computeranlage in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und meint, der Kläger habe durch den Eingriff der Fa. ... sämtliche Gewährleistungsansprüche verloren.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Der Senat hat den Kläger persönlich gehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen ... und ... . Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung und der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Berichterstattervermerks Bezug genommen.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Berufung hat Erfolg. Die Klage ist begründet. Die Widerklage hat keinen Erfolg.

I.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses. Die Beklagte haftet entweder wegen positiver Vertragsverletzung oder nach Gewährleistungsrecht gem. §§ 635, 634 Abs. 4, 467, 346 BGB.

1. Das Landgericht hat zutreffend Werkvertragsrecht und nicht Kaufrecht angewandt. Bei der gelieferten Hard- und Software handelt es sich allerdings um Standardprogramme. Die vertraglichen Pflichten der Beklagten gingen aber über die bloße Lieferung eines - auf die Bedürfnisse des Klägers - abgestimmten EDV-Systems hinaus. Sie hatte es auch übernommen, die Hardware zu installieren, den vorhandenen PC mit neuer Software aufzurüsten und beide Systeme für einen wechselseitigen Datenaustausch zu konfigurieren. Mithin schuldete sie (auch) ein bestimmtes Arbeitsergebnis (Erfolg). Auf einen solchen Vertrag finden die Vorschriften der §§ 631 ff. BGB Anwendung (vgl. OLG München, CR 1988, 38 und OLG Düsseldorf, CR 1989, 696).

2. Dem Schadensersatzanspruch des Klägers steht nicht entgegen, daß er die Anlage am 25. September 1998 durch die Fa. ... überprüfen ließ und diese Veränderungen in der Programmierung vornahm. Richtig ist, daß der zwischen den Parteien am l. April 1998 geschlossene Vertrag bestimmt, daß Reparaturversuche aller Art, egal ob eigene oder durch Dritte, zur sofortigen Beendigung der Gewährleistung führen. Ansprüche wegen positiver Vertragsverletzung werden davon nicht erfaßt. Soweit die Regelung einen Gewährleistungsausschluß vorsieht, ist sie nicht wirksam. Sie ist Teil der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten und verstößt gegen § 9 AGBG, weil sie den Kläger unangemessen benachteiligt. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, daß eine in allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber Nichtkaufleuten verwendete Bestimmung, nach der beim Verkauf neu hergestellter Radio-, Fernseh- und Fotogeräte die Gewährleistung (Garantie) sofort nach einem Eingriff durch den Käufer oder Dritte, nicht zum Betrieb des Verkäufers gehörende Personen erlischt, unwirksam ist (BGH NJW 1980, 831). Der Käufer kann ein berechtigtes Interesse daran haben, bei einer während der Gewährleistungsfrist auftretenden Störung durch Untersuchung - wenn nötig nach Öffnen des Gerätes - festzustellen oder durch einen sachkundigen Dritten feststellen zu lassen, welcher Art die Störung ist und ob sie auf einem bereits bei Gefahrübergang vorhandenen Mangel beruht, bevor er das Gerät dem Verkäufer zur Nachbesserung aushändigt. Auf eine nach Werkvertragsrecht zu beurteilende Vereinbarung über die Lieferung von Hard- und Software ist diese Entscheidung nicht uneingeschränkt übertragbar, denn bis zur Abnahme überwiegt das Interesse des Unternehmers an der Unversehrtheit des von ihm hergestellten Werks. Nach der Abnahme tritt dieses Interesse jedoch hinter dem des Bestellers, dessen Lage nunmehr der des Käufers entspricht, zurück. Die AGB der Beklagten unterscheiden nicht zwischen der Zeit vor und der Zeit nach der Abnahme, sondern sanktionieren jeden Reparaturversuch mit der Beendigung der Gewährleistung. Eine solch umfassende Gewährleistungsbeschränkung ist mit § 9 AGBG nicht vereinbar.

3. Dem Schadensersatzverlangen steht auch nicht entgegen, daß der Kläger den Vertrag nicht insgesamt, sondern nur zum Teil rückgängig machen will. Die Beklagte nimmt hin, daß der Kläger die Software ... behält und den Rückzahlungsanspruch dafür um 3.000 DM kürzt.

4. Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß die Funktionalität eines Datenaustausches zwischen den beiden Computer-Systemen letztlich nicht erreicht worden ist. Der Zeuge L..., der mit der Installation der Anlage an dem Heimarbeitsplatz in ... befaßt war, hat bekundet, ein Zugriff von dem Kanzlei-PC aus sei nur bei einer direkten Verbindung mit dem ISDN-Anschluß "unter Umgehung des Wandlers" möglich gewesen. Diese Verbindung habe er aber wieder abgebaut, weil sonst entweder das Telefon oder das Faxgerät nicht mehr funktioniert habe.

Ob die Funktionalität des Datenaustausches wegen eines Hard- oder Softwarefehlers (so die Behauptung des Klägers) oder aber deshalb nicht hergestellt werden konnte, weil dafür eine freie Telefonnummer fehlte (so der Zeuge L...), kann dahinstehen. War die Computeranlage fehlerhaft, hat der Kläger einen Schadensersatzanspruch gem. §§ 635, 634 Abs. 4, 467, 346 BGB. War der vorhandene Telefonanschluß unzureichend, haftet die Bek1agte wegen Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht, weil sie den Kläger unzureichend beraten hat. Sie war verpflichtet, den Kläger über die erforderlichen technischen Voraussetzungen des Telefonanschlusses aufzuklären. Der Anbieter von Hard- und Software, der im Regelfall über ein größeres Know-how und eine umfangreichere Erfahrung im EDV-Bereich verfügt als der Anwender (vgl. OLG Stuttgart, CR 1989, 598, 600), hat diesen soweit erforderlich zu beraten (OLG Köln, NJW 1994, 1355). Hier wäre ein deutlicher Hinweis darauf notwendig gewesen, daß das Programm ... nur dann sinnvoll arbeiten kann, wenn ihm eine eigene Telefonnummer zugewiesen wird. Ein solcher Hinweis ist bei Abschluß des Vertrages nicht erfolgt. Ob der Zeuge L..., wie dieser bekundet hat, dem Kläger später geraten hat, eine zusätz1iche Telefonnummer zu beantragen, kann dahinstehen. Mit einer solch knappen Empfehlung des Technikers war es nicht getan. Die Beklagte war verpflichtet, dem Kläger konkrete Vorgaben zu machen. Sie hätte die von ihr für notwendig erachtete Erweiterung des Telefonanschlusses im einzelnen darstellen müssen, um den Kläger in die Lage zu versetzen, seinerseits die erforderlichen Arbeiten in Auftrag zu geben. Das ist nicht geschehen. Statt dessen ist dem Kläger der Technikerbericht ausgehändigt worden, in dem der Zeuge L... vermerkt hat: "Verbindung unter Umgehung des D/A Wandlers hergestellt". Diese Aussage läßt das eigentliche Problem nicht erkennen. Mit diesem Bericht konnte der Kläger deshalb nichts anfangen. Dafür, daß dieser sich beratungsgemäß verhalten hätte, wenn er pflichtgemäß beraten worden wäre, besteht eine tatsächliche Vermutung. Hätte die Beklagte ihre vertragliche Nebenpflicht erfüllt, wäre die Funktionalität des Datenaustausches hergestellt worden. Ohne die Möglichkeit des Datenaustausches ist die EDV-Anlage nicht vertragsgerecht.

5. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden, den Fehler nicht konkret genug gerügt zu haben. Der Besteller von Hard- und Software, der - wie der Kläger und seine Mitarbeiterin - nicht über EDV-Kenntnisse verfügt, spezifiziert seine Mängelrüge hinreichend, wenn er dem Lieferanten das aufgetretene "Fehlerbild" mitteilt, so daß es gegebenenfalls für einen Sachverständigen prüfbar ist (OLG Köln, NJW-RR 1998, 1274; Senat, Urt. v. 24. November 1999, 13 U 239/98). Diesen Anforderungen wird die Rüge des Klägers gerecht. Die Beklagte wußte, daß Probleme beim Datenaustausch zwischen beiden Computeranlagen aufgetreten waren. Sie muß sich das Wissen ihres mit der Installation beauftragten Mitarbeiters L... zurechnen lassen. Dieser führte die Probleme auf den Telefonanschluß zurück. Die Beklagte war damit in der Lage, die Berechtigung der Mängelrüge zu prüfen und - je nach Ursache - den Fehler entweder selbst zu beheben oder aber den Kläger über notwendige Änderungen seines Telefonanschlusses zu informieren.

6. Der Kläger hat Anspruch auf Rückabwicklung des gesamten Vertragsverhältnisses einschließlich der am 10. August 1998 erfolgten Nachlieferungen. Es handelt sich um einen einheitlichen Vertrag. Dem steht nicht entgegen, daß ursprünglich ein anderer Drucker geliefert werden sollte und der Auftrag zudem um einen Streamer sowie ein mobiles Diktiergerät erweitert worden ist. Selbst bei einer ursprünglich nicht geplanten Erweiterung kann ein einheitlicher Vertrag anzunehmen sein, wenn die Parteien den Willen hatten, die Vertragsbeziehung als Einheit zu behandeln (BGH NJW-RR 1996, 1008; str.; vgl. Beckmann in Büschgen, Praxishandbuch Leasing, § 10 Rdn. 155). Das ist hier der Fall, weil die im April 1998 bestellte Anlage unvollständig war, worauf der Kläger schon bei der Installation hingewiesen hat. Die Beklagte hat das zum Anlaß genommen, ihm noch am selben Tag ein Nachtragsangebot über ein mobiles Diktiergerät und einen Streamer zu unterbreiten. Letzterer war erforderlich, um eine Datensicherung, die in einer ...kanzlei unerläßlich ist, zu ermöglichen.

7. Die Beklagte ist zur Rückzahlung von (20.311,43 DM abzüglich 3.000,00 DM für die Software ... =) 17.311,43 DM Zug um Zug gegen Rückgabe der im Urteilstenor näher beschriebenen Teile der Computeranlage verpflichtet. Der Feststellungsantrag hat Erfolg, weil sich die Beklagte mit der Rücknahme in Annahmeverzug befindet.

II.
Die Widerklage ist unbegründet. Die Beklagte hat gegen den Kläger keinen Anspruch auf Zahlung einer Vergütung von 6.893,53 DM für die am 10. August 1998 nachgelieferten Teile der EDV-Anlage. Die Nachlieferung ist, wie dargelegt, Bestandteil eines einheitlichen Vertrages, der insgesamt der Rückabwicklung unterliegt. Den (vom Landgericht abgewiesenen) Anspruch auf Zahlung des Fernwartungsentgelts macht die Beklagte nicht mehr geltend.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Ziff. 10 ZPO.


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